In den Projekten des Konzeptkünstlers Levent Kunt bildet der Ort, an dem er wohnt oder ausstellt den Ausgangspunkt seiner Recherchen. Diese können durch Fotografien, Stadtpäne,
Installationen, Skulpturen oder Performance dargestellt werden. In Dönerlandkarte z.B. werden alle Dönerläden einer Stadt fotografiert, im Stadtplan eingezeichnet und in einer Ausstellung so an
die Wand gehängt, wie sie im Stadtplan eingetragen sind. Kunt führt seine Dokumentation sorgfältig durch und erstellt Topografien, die unbewusste Aspekte sichtbar werden lassen. Doch die wahl der
Motive - Dönerläden, Graffiti, Hilfsorganisationen und sogar Hundekot- steht im krassen Widerspruch zum wissenschaftlichen Anspruch der Nomenklatur. Das Spezifische das Standortes entpuppt sich
als alltäglich und universell, der wissenschaftliche Umgang als pseudowissenschaftlich. Leiser Humor ist im Spiel.
Mit le Spectacle holt Kunt in Paris die Straßenkunst in den Musiksaal: Auf der Bühne steht eine aus Fundstücken zusammengestellte Skulptur, die Form und Funktion eines Schlagzeugs annimmt. Ein
Percussionist spielt das Instrument, starkes Licht taucht die Szene in ein agrarisches Ambiente, schafft Distanz und erzeugt zugleich ein malerisches Bild. Auch das aufgestellte Plakat mit der
Aufschrift le Spectacle weist auf die Straßenkunst hin. Die Performance ist durch ein Video dokumentiert, das nichts als Dokumentation sein will. Die Kamera stacht fix und frontal vor dem
Schlagzeuger und führt den Dialog mit der Musik ausschließlich durch Close-ups und Schwenke. Le Spectacle steht auch als skulpturales Environment für sich. Hier manifestiert sich ein wichtiges
Element der neueren Arbeiten von Kunt. Sie tendieren dazu, die Genres zu vermischen. Eine andere Arbeit besteht aus fünf digitalen Zeichnungen, die einen Akrobaten in einem darstellen und der
dazugehörigen Skulptur, einem lebensgroßen, weißen Neonreifen. Die Verselbstständigung das Reifen zu einer Lichtskulptur zeugt vom Anspruch, das Straßenmotive in die Ebene der abstrakten Kunst zu
überführen. Andererseits sind seine Skulpturen durchaus auch Bühnenelemente, die unter seiner Regie durch Klang und Choreographie eine weitere Bedeutungsebene gewinnen. In dieser Hinsicht
erinnern si an Chaplins Fil der Diktator, wenn dieser mit der Weltkugel zu spielen beginnt. Sie gewinnen dadurch an Poesie.
Text: Dr. Daniéle Perrier, Künstlerhaus Schloß Balmoral, 2010